Während der Corona-Krise ist die Zahl der Opfer von häuslicher Gewalt in Deutschland gestiegen.
Delikte der häuslichen Gewalt umfassen Mord, Totschlag, Körperverletzungen, Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, sexuelle Übergriffe, Bedrohung, Stalking, Nötigung, Freiheitsberaubung, Zwangsprostitution und Zuhälterei.
158.477 Opfer im Jahr 2020, entspricht einem Anstieg von sechs Prozent gegenüber dem Jahr 2019. Zwei Drittel der erfassten Opfer sind Frauen.
Meine Kollegen und ich schätzen, dass der Anteil der Männer jedoch noch höher sein kann. Ihre Hemmschwelle, Anzeige zu erstatten, ist noch höher als bei Frauen.
Neben Männern stehen bislang auch Kinder zu wenig im Fokus. In der Kriminalstatistik fehlt das Thema psychische Gewalt, die insbesondere bei Kindern zu seelischen Verletzungen mit nachhaltiger Traumatisierung führen kann.
Ebenfalls besorgt über das Dunkelfeld ist der Präsident des Deutschen Caritasverbandes, Peter Neher, für den der Anstieg um sechs Prozent darauf hindeutet, „dass die tatsächlichen Fälle überproportional zugenommen haben.“ Denn für Opfer sei es angesichts von Corona schwieriger, Kontakt mit Behörden aufzunehmen, um Anzeige zu erstatten oder Hilfe zu suchen.
Ähnlich sieht das die Diakonie. Deren Vorständin für Sozialpolitik, Maria Loheide, sagt: „Die Beschränkungen der Pandemie haben sicher dazu beigetragen, dass seltener Hilfe und Unterstützung gesucht wurden und die Zugänge schwieriger waren.“
Für mich steht der Anstieg in ganz klarem Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Ich sehe hier ganz dringenden Handlungsbedarf, sonst wird sich die Situation noch drastisch verschärfen. Wir erleben im Lockdown massiv tatsächliche Schäden an Leib und Seele in den Familien. Es wäre verantwortungslos, den Kinder- und Familienschutz zu ignorieren. Daher ist die Fortdauer des scharfen Lockdowns sehr genau zu prüfen.
Ich habe das Gefühl, dass auch die hier aufgeführten Aspekte nie in die Erwägungen über den Lockdown mit eingeflossen sind.
Die Innenministerkonferenz (IMK) will auf ihrer Tagung Mitte Juni eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur „Bekämpfung von geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichteten Straftaten“ einsetzen.
Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU), derzeit Vorsitzender der IMK, erachtet diesen Schritt notwendig: „Gewalt in der Familie ist weder Privatsache noch ein Kavaliersdelikt, das man einfach unter den Wohnzimmerteppich kehren kann. Die Opfer sind der Gewalt in der häuslichen Umgebung oft schutzlos ausgeliefert.“
Ich stimme ihm zu, nur geht mir die geplante Einrichtung der Arbeitsgruppe nicht weit genug. Sie verengt sich auf häusliche Gewalt gegen Frauen. Ich halte es für zielführender erst einmal die Opfergruppen zu bestimmen, um wirklich helfen zu können. Das ist aber politisch nicht gewollt.